Chronik

Ursprung und Entwicklung des Argentinienprojektes

„Willst du einem Menschen für einen Tag helfen, dann gib ihm Brot.
Willst du ihm für längere Zeit helfen, dann gib ihm ein Haus.
Willst du ihm für ein ganzes Leben helfen, dann gib ihm Bildung.“

Das war das Motto, nach dem Padre Juan Markiewicz handelte. Er wurde in Misiones als Sohn von ukrainischen Immigranten geboren und ist mit 15 Geschwistern aufgewachsen. Er war Steyler Missionar (Kongregation SVD). Er hat in Deutschland studiert. In Misiones war er zunächst als Theologiedozent tätig. Eines Tages hatte er jedoch eine Begegnung, die ihn aufhorchen ließ, weil ihm auf einmal die Armut in der Provinz in einer ganz neuen Dimension bewusst wurde. Sie bewegte ihn zum Umdenken und ließ ihn einen neuen Weg einschlagen.

Er kämpfte gegen die Armut und wurde Gründer und Begleiter des Stadtviertels „Villa Cabello“ (= Haarviertel) in der Stadt Posadas. Er wurde auch Gründer und Begleiter von Sozialzentren und Kolpingschulen in der ganzen Provinz Misiones.  Geprägt hatte ihn dabei vor allem die sozialreformerische Spiritualität von Adolph Kolping, sodass er versuchte den Kolpinggedanken in Misiones zu verwirklichen.

Er bekam Unterstützung aus Deutschland, vor allem durch Schwester Franziska Hohenwieser aus Meitingen, die sich gemeinsam mit anderen Frauen die Haare abschnitt und diese verkaufte. Mit dem gesammelten Geld wurde Padre Juan dann in einem Elendsviertel der Stadt Posadas aktiv, welches inzwischen an die 100.000 Einwohner hat und über eine relativ gute Infrastruktur verfügt.

Als Walter Waldschütz in den 70er Jahren Bezirksvorsitzender im Kolping-Bezirksverband Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach war, wurde – genauso wie heute – auch eine Altmaterialsammlung durchgeführt. Im Bezirksvorstand bestand der Wunsch, dass 10 % des Erlöses an ein soziales Projekt gehen. Weil jemand aus dem Vorstand die aus Lenggries stammende Meitinger Ordensschwester Franziska Hohenwieser kannte, einigte man sich auf dieses Projekt in Misiones, so dass der Kontakt dorthin hergestellt war. So unterstützte der Kolpingbezirksverband über Jahre hinweg das Projekt von Padre Juan Markiewicz. Walter Waldschütz lernte Padre Juan dann bei einem Aufenthalt in Innsbruck persönlich kennen und wurde von ihm gleich eingeladen, einmal nach Argentinien zu kommen. Als Walter Waldschütz 1990 dann Pfarrer von Holzkirchen wurde, gab es keine pastoralen Mitarbeiter. Der aus Holzkirchen stammende Jugendliche Berthold Späth arbeitete auf ehrenamtlicher Basis in der Pfarrei mit, so gut es irgendwie ging. Um sich von den großen Anforderungen in der Pfarrei zu erholen, machten sich Pfarrer Waldschütz und Berthold Späth 1991 auf zu einer Reise nach Argentinien, bei der sie Padre Juan besuchten. Sie kauften sich dort auch ein Rundflugticket, um mehr von diesem Land kennen zu lernen. Padre Juan jedoch sagte, für eine Rundreise sei keine Zeit, und verkaufte diese Tickets sofort wieder. Er nahm die beiden Besucher in seinem Auto mit auf eine Rundreise durch die Provinz Misiones, damit sie die Schulen kennen lernen, die er gegründet hatte. Bei dieser Rundfahrt machten sie auch Halt in der Stadt Puerto Rico. Padre Juan zeigte ihnen das Kinderdorf, das damals lediglich aus einem Haus mit sieben Kindern und einer Ordensschwester als Hausmutter bestand. Er fragte sie, ob sie sich vorstellen könnten, die Finanzierung dafür zu übernehmen. Berthold Späth meinte in seinem jugendlichen Optimismus, dass sie das von der Holzkirchner Pfarrei her schon schaffen könnten, und so sagten die beiden zu.

Mit dieser finanziellen Zusage konnte der Betrieb im Kinderdorf unter der Trägerschaft der Kolpingfamilie Puerto Rico richtig aufgenommen werden.

1995 fragte der Holzkirchner Franz Späth, der Bruder von Berthold Späth, ob er nach dem Abitur statt dem Zivildienst in Deutschland einen Freiwilligendienst als „Anderen Dienst im Ausland“ in Argentinien machen könnte. Pfarrer Waldschütz setzte in Absprache mit der Holzkirchner Kirchenverwaltung alle Hebel in Bewegung, um für die Stelle eine Anerkennung vom entsprechenden Bundesministerium zu bekommen. Und so leistete Franz Späth für 17 Monate einen Freiwilligendienst bei Padre Juan in Posadas in Argentinien ab.

In der Pfarrei Holzkirchen wurde ein Missionskreis gegründet, um das Argentinienprojekt bekannt zu machen und durch Aktionen finanzielle Mittel für das Kinderdorf zu beschaffen. Aus dem einen Haus im Kinderdorf in Puerto Rico wurden im Laufe der Jahre vier Häuser für Kinder. Es gab sogar Bautrupps, die aus der Pfarrei Holzkirchen nach Argentinien reisten, um beim Bau von neuen Häusern mitzuhelfen.

2010 machte der aus Tegernsee stammende Uwe Kai, der Pfarrer Waldschütz kennenlernte und für die Besucher beim Holzkirchner Pfarrfest Rundfahrten mit seinem Oldtimer anbot, das Angebot, ein weiteres Haus für Kinder zu finanzieren. Damit das Kinderdorf jedoch von seiner Größe her sich nicht in eine andere Kategorie entwickelte, einigte man sich beim damaligen Argentinienaufenthalt in Absprache mit der Kommission des Kinderdorfes darauf, ein Jugendhaus zu bauen, also ein Haus, in dem die größeren Kinder und Jugendlichen des Kinderdorfes einen eigenen Wohnbereich haben. Es wurde 2012 bei einer Argentinienreise eingeweiht.

Mit in der Reisegruppe dabei waren damals auch einige Politiker aus den Landkreisen Miesbach und Regensburg. Bei einem Besuch in Posadas wurde auch beim Regierungsminister der Provinz Misiones vorgesprochen und darum gebeten, ob es nicht eine Unterstützung für das Kinderdorf geben könnte. Der Minister zeigte sich sehr offen für die vorgebrachten Anliegen und sagte eine Hilfe für den Bau eines neuen Administrationsgebäudes und eines neuen MaZ-Hauses zu, die schließlich von der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft finanziert wurden.

Fr. Marianne Kunkel-Chicos aus Rottach-Egern wollte in ihrem Alter auch etwas für das Kinderdorf tun und eine Kapelle stiften. Nachdem die Kinder und Jugendlichen aber die Gottesdienste in der Pfarrkirche besuchen, wurde diese Idee anfänglich verworfen. Dann wurde die Idee geboren, die Kapelle mit einem Besprechungsraum zu verbinden, in dem Kinder und Jugendliche sich mit Besuchern aus ihrer Familie treffen können. So konnte 2015 auch eine Kapelle auf dem Kinderdorfgelände eingeweiht werden.

Auch der Freiwilligendienst entwickelte sich weiter. Noch bevor Franz Späth seinen Dienst beendet hatte, meldete sich ein weiterer Interessent. Es sprach sich herum, dass man hier in diesem Dienst wertvolle Erfahrungen für das eigene Leben sammeln kann. So gab es immer mehr Jugendliche, die Interesse zeigten, und auch die Einsatzstellen wurden mehr, so dass zu Spitzenzeiten bis zu 10 Jugendliche in einem Jahr diesen Dienst ableisten konnten.

Pfarrer Waldschütz machte mit der inzwischen gebildeten Projektleitung jährlich eine Visitationsreise, um das Kinderdorf und die Jugendlichen an ihren Einsatzstellen zu besuchen und eine Auswertung zu machen.

Als Pfarrer Waldschütz einmal bei einem Argentinienaufenthalt an einer Unfallstelle vorbeikam und erfuhr, dass die nächste Feuerwehr Dutzende von Kilometern entfernt und auch nur notdürftig ausgestattet war, bemühte er sich, dass Gemeinden aus dem Landkreis Miesbach ihre nicht mehr brauchbaren Feuerwehrfahrzeuge an die Provinz spendeten. So wurden immer wieder Fahrzeuge mit Gerätschaften und Ausrüstungsgegenständen sowie Feuerwehrbekleidung dorthin verschifft und damit auch die Gründung von Freiwilligen Feuerwehren in der Provinz Misiones unterstützt. Gott sei Dank. Denn als am 31. Januar 2016 durch einen technischen Defekt Haus 1 im Kinderdorf brannte, waren auch Feuerwehrfahrzeuge aus dem Landkreis Miesbach im Einsatz. So gereichte die Hilfe für die Feuerwehr vor Ort wiederum zum Segen für das Kinderdorf.

Ja, vielfacher Segen ist schon geschehen durch das Argentinienprojekt. Die Kinder und Jugendlichen können im Kinderdorf eine unbeschwerte Kindheit und Jugend erleben. Sie bekommen das Lebensnotwendige und gehen in die Schule. Vor allem ist jemand da, der sich um sie und ihre inneren Verwundungen kümmert und sich um eine gute Zukunft für sie sorgt.

Die Jugendlichen aus Deutschland lernen im Missionarischen Dienst auf Zeit für ihr Leben. Nicht zuletzt ist es auch ein Beitrag zur Völkerverständigung. Unter den Kolpingfamilien wird ein weltweites Netz der Partnerschaft gegründet. Und die Feuerwehren werden in ihrem Dienst am Nächsten unterstützt und Leben gerettet.

Ein Stellenwechsel von Msgr. Walter Waldschütz weg von der Pfarrei Holzkirchen oder sein Ableben hätten das Aus für das Argentinienprojekt bedeuten können. Damit aber die finanzielle Unterstützung für das Kinderdorf weitergehen kann und auf eine sichere Grundlage gestellt ist, wurde Ende 2008 die Pfarrer Walter Waldschütz-Stiftung gegründet, die seit 1. Januar 2013 als eigene Stiftung des bürgerlichen Rechts anerkannt ist.

Möge der Segen, der sich in vielfältiger Weise über viele Jahre gezeigt hat, weitergehen und noch viele Menschen erreichen.

 

Eckpunkte der Geschichte des Kinderdorfes „Hogar Jesús Niño“
in Puerto Rico in Argentinien

1984Die Demokratie kehrt nach Argentinien zurück. Ein neuer frischer wohltuender Wind bläst durch das Land. Bürgerinitiativen entstehen, neue Ideen werden geboren, Menschen können wieder ihren Glauben leben, teilhaben, mitmachen und Verantwortung übernehmen. In der argentinischen Kleinstadt Puerto Rico wird von Jorge Hernandez und Carmen Morgenstern die Idee geboren, bedürftigen Kindern neue Chancen und Möglichkeiten zu eröffnen. Viele Familien leben aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Lage in Armut und sehr prekären Verhältnissen. Viele Kinder sind auf sich gestellt.
13. Mai 1984Padre Juan Markievicz, Señorita Ruth Schmitt und Señor Jaquier führen eine Versammlung mit interessierten engagierten Bürgern von Puerto Rico durch, um eine soziale Bewegung in der Stadt zu initiieren: die Kolpingfamilie Puerto Rico. Kolping will sich in Puerto Rico vor allem für verwahrloste Kinder einsetzen. Es werden Benefizaktionen organisiert, um Gelder für ein Projekt zu sammeln.
8. August 1984Die Gründung der Kolpingfamilie erfolgt. Señor und Señora Rambo spenden der Kolpingfamilie ein Grundstück, damit sie dort ein Projekt für verwahrloste Kinder beginnen kann. Eine Baufirma entwirft kostenlos die Pläne für das zukünftige Kinderdorf.
1985 – 1987Bau, Fertigstellung und Einweihung des ersten Hauses mit Hilfe von Spenden und Unterstützung von argentinischer Gemeinde und argentinischem Staat.
1988Große Wirtschaftskrise in Argentinien, die es nicht möglich machte, das Kinderdorf zu eröffnen. Das Gebäude wird unter der Leitung von Julia Ortega de Hillebrand als Schulungsraum für die Abendschule von Kolping für Erwachsene genutzt.
1991Inzwischen ist ein neues Gebäude für die Kolpingschule gebaut und das erste Kinderdorfhaus wird wieder frei. Eine Vorstandschaft wird konstituiert. Im April ist Pfarrer Walter Waldschütz mit einigen Unterstützern aus der Pfarrei Holzkirchen auf Besuch. Er verspricht, dass er und seine Pfarrei den Unterhalt des Kinderdorfes für die Zukunft über das Gewinnen von Spendern absichern wird. Im Oktober 1991 wird das Kinderdorf zum ersten Mal für Kinder geöffnet. Monica Romero wird erste Kinderdorfmutter und Señorita Clara Casales ihre Vertretung. Später kommt Señora Delicia Martin (Tia Pepa) hinzu.
1992Baubeginn des zweiten Hauses
1993Erste Mitarbeit einer Freiwilligen aus Deutschland, Anke Gröschl
1994Bau eines Kinderbehandlungsraumes im Krankenhaus Puerto Rico, finanziert über das Kinderdorf, Einweihung des zweiten Hauses im Kinderdorf. Zu dieser Zeit leben 14 Kinder dort.
1995 – 1997Erster Missionarischer Dienst auf Zeit (MaZ) vom Holzkirchner Franz Späth in Argentinien über die Pfarrei Holzkirchen.
1996Baubeginn des dritten Hauses. Eine Gruppe von deutschen jugendlichen Freiwilligen unter der Leitung von Heinz Zenker (Missionskreisvorsitzender) hilft beim Bau. Gründung des Missionskreises in Holzkirchen, der die Unterstützung für das Projekt organisiert. Kolping und Missionskreis organisieren Flohmärkte, Benefizkonzerte, Argentinische Abende und vieles mehr. Franz und Elisabeth Eigler aus Holzkirchen besuchen das Kinderdorf und investieren ihre Freizeit, um sich um die Kinder zu kümmern, und wiederholen dies über einige Jahre.
1998Die ersten MaZler, die direkt im Kinderdorf wohnen und arbeiten, sind Sabine Sroka (Föching) und Thomas Messmer (Lenggries).
1999Fertigstellung des dritten Hauses. Kolping Puerto Rico wird juristische Person und eigenständig.
2003Baubeginn des vierten Hauses.
2005Teilnahme an einem sozialen Programm des Staates, um die Kinder wieder näher an ihre Herkunftsfamilien heranzuführen.
2006 – 2007Bau eines Raumes für von Unterernährung betroffene Kinder im Krankenhaus Puerto Rico. Dr. Ricardo Irrazabal leitet das Projekt, welches nur über die gesammelten Spenden der Freiwilligen Brigitte Kaffl möglich war. Kolping stellt Anträge bei verschiedenen argentinischen Stiftungen und staatlichen Programmen. Auch die Stadt Puerto Rico unterstützt, indem sie Nachhilfe zur Verfügung stellt.
In den folgenden Jahren bis heuteUnterstützung des Aufbaus und der Ausstattung von freiwilligen Feuerwehren in der ganzen Provinz Misiones. Die Hilfe wird über den Feuerwehrseelsorger Walter Waldschütz, Maria Thanbichler und die Gemeinden und Feuerwehren des Landkreises Miesbach organisiert. Über 11 gebrauchte Fahrzeuge und einiges an Material wird von Deutschland nach Argentinien geliefert. Gegenseitige Besuche von Feuerwehrlern finden statt.
Ende 2008Gründung der Pfarrer Walter Waldschütz-Stiftung
2012 bis heuteDie Ulli und Uwe Kai-Stiftung ermöglicht den Bau und den Unterhalt eines Jugendhauses. Dr. Günther Engler ist heute Vorsitzender und besuchte das Kinderdorf mit seiner Frau Sabina Tuskany (2019).
2014Frau Kunkel-Cichos macht eine großzügige Spende zum Bau einer Kapelle, die auch als Multifunktionsraum genutzt werden kann.
2015Die argentinische staatliche Wohnungsbaugesellschaft übernimmt die Kosten für den Bau von Gebäuden, die zur Unterbringung der freiwilligen MaZler, zum Nachhilfeunterricht, für Versammlungen und für die Verwaltung dienen.
2016Neubau des ersten Hauses, das einem Brand zum Opfer fiel, mit nochmaliger großer Unterstützung der Ulli und Uwe Kai-Stiftung, aber auch mit der Hilfe von vielen großzügigen deutschen Spendern.
2017 – 2019Das Kinderdorf bekommt jetzt vom Staat eine Unterstützung (Kindergeld) für jedes Kind. Kolping wird als offizielle gemeinnützige Nichtregierungsorganisation von Argentinien anerkannt und erhält staatliche Zuschüsse, mit denen das Kanalsystem verbessert werden kann. Des Weiteren unterstützt der Staat auch mit Stipendien die schulische Ausbildung. Eine 30-köpfige Delegation von Freunden und Unterstützern besucht das Kinderdorf und Kolpingprojekte. Ein Jubiläum wird gemeinsam gefeiert.
2020Siehe Pfingstbrief
  
  
Während den JahrenMehrere Besuche von Schirmherrin und Landtagspräsidentin Ilse Aigner sowie vom Stiftungsratsvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan.
 Zahlreiche junge Erwachsene deutsche Freiwillige arbeiteten im Kinderdorf und in Kolpingprojekten als Missionare auf Zeit mit.
 Raimundo Hillebrand führt seit einigen Jahren äußerst erfolgreich das Kinderdorf als Direktor. Die Mitarbeiterzahl ist angewachsen, um die Kinder bestmöglich betreuen zu können.
 Zahlreiche großzügige Spender und Helfer in beiden Ländern ermöglichten dieses großartige Projekt! – Ad multos annos!
 Es gäbe noch viel mehr zu erwähnen, Entschuldigung, dass nicht alles Platz fand!